Handwerkergilde
Alt-Brettheim
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Früher gab es drei Handwerker, die an der Fertigung eines traditionellen Stuhles beteiligt waren.
Der Stuhldrechsler war spezialisiert auf die Herstellung der Stuhlbeine.
Der Sitzmacher oder auch Stuhlflechter der alle Teile des Stuhles wie Sitz und Rückenlehne herstellte.
Der Stuhlmacher (später auch Tischler genannt), der dann alle Teile zu einem Stuhl zusammenbaute.
Bei einem Stuhl gibt es verschiedene Materialien für die Erstellung einer Sitzfläche.
Holz, Polsterung, Weidengeflecht, Stroh- oder Binsengeflecht und Stuhlrohrgeflecht.
Im speziellem möchten wir hier jedoch die Herstellung bzw. Reparatur einer Sitzfläche oder auch Rückenlehne eines Stuhles mit den letzten zwei genannten Arten erklären.
Stuhlsitze aus Flechtwerk haben eine sehr lange Tradition. Bereits vor über 3000 Jahren wurden in Ägypten Sitzflächen für Stühle und Schemel geflochten.
Stuhlrohrgeflechte hielten in Europa Einzug als König Charles II von England einen reich geschnitzten Ebenholzstuhl mit einem Sitz aus Rohrgeflecht geschenkt bekam. Der Stuhl stammte aus Indien. Dieser und andere Stühle aus Europa regten englische Möbelmacher dazu an, sie nachzubauen. In den 1670er Jahren wurden sie schnell populär und tauchten in den Palästen des Königs auf und wurden 1689 von William und Mary in die königlichen Gemächer eingeführt.
Stuhlflechtrohr wird aus dem Fernen Osten importiert. Das Beste kommt aus Indonesien und Malaysia. Es stammt von der harten, glänzenden, inneren Rinde der Rohrpalme, auch Rattan oder Rotan genannt, einer Kletterpalme, die in tropischen Regenwäldern wächst und sehr lang wird.
Die äußere Rinde der Rohrpalme ist dornig, ebenso die Ranken, mit denen sich die Pflanze an den Baumkronen festhält. Sie wird abgeschält, bevor das Rohr in handliche Stücke geschnitten und nach Größe und Qualität sortiert wird.
Nach chemischen Waschen zur Beseitigung von Insekten oder Pilzbefall wird das Rohr in einer Schwefelkammer geschwefelt, damit es schön hell wird.
Die glänzende Oberfläche wird geglättet, um die Knoten der Blattansätze zu beseitigen. Dann wird das Rohr durch Präzisionsmaschinen geschickt, in denen die Oberhaut abgehobelt wird. Diese wird dann in die feinen schmalen Streifen gespalten, aus denen Stuhlsitze geflochten werden.
Es gibt Stuhlrohrgeflechte verschiedener Art, aber das häufigste und haltbarste ist das sechslagige Achteckgeflecht, auch Wiener Geflecht genannt. Es gilt als Standardgeflecht für Stuhlsitze. Diese sechs Schichten bilden das Achteckgeflecht. Nach der letzten Flechttour können alle Löcher verstöpselt werden, um den Sitz fertigzustellen. Häufig wird jedoch nur jedes zweite Loch verstöpselt und eine breite Deckschiene als Umrandung angebracht. Diese Deckschiene, auch Deckfaden genannt, wird an allen vier Seiten über die Lochreihen gelegt und mit einem dünnen Rohrfaden durch die leeren Löcher umnäht.
Die verwendete Rohrstärke richtet sich in erster Linie nach dem Abstand der Löcher im Stuhlsitz. In der Regel wirkt der geflochtene Sitz schöner, wenn zwei verschiedene Breiten verwendet werden: eine schmalere Schiene für die ersten vier Schichten und eine Nummer größer für die beiden Diagonalen.
Die ältesten Beispiele für Binsensitze finden sich auf Hockern in den ägyptischen Pyramiden, doch seit dem Mittelalter fanden Binsen als Flechtmaterial für Hocker und Stuhlsitze verbreitet Verwendung.
Als Flechtmaterial dienten Binsen dem Zwecke, die harten Hocker und Stühle aus Holz bequemer zu machen. Als Holz für die Stuhlgestelle diente oft Esche, gemeinsam mit Ulme oder Buche. Auch Erle wurde verarbeitet, besonders im Norden.
Für Stuhlsitze wird im allgemeinen die Teichbinse, Scirpus lacustris, verwendet, die in vielen Ländern verbreitet ist. Sie wächst in Flüssen, Bächen und Teichen. Der runde, markhaltige Stengel ist während des Wachstums smaragdgrün, im getrockneten Zustand jedoch blasser.
Längen zwischen 1,80 m und 2,75 m sind üblich. Binsen werden im grünen Zustand geerntet. Am besten sind die Binsen ab Ende Juni und den ganzen Juli hindurch. Die Büschel oder Stöcke werden alle zwei Jahre geerntet, um das Wachstum anzuregen, und möglichst kurz über den Wurzeln abgeschnitten. Die Trocknung erfolgt entweder in einem offenen Schuppen oder draußen im Freien. Sie dauert ein paar Tage bis ungefähr drei Wochen. Die Binsen werden in einem trockenen Schuppen dunkel gelagert und können mehrere Jahre aufbewahrt werden.
Die Schnüre für den Stuhl werden gebildet, indem man mehrere Binsen schön glatt zusammendreht und nach und nach neue einfügt, um die Länge und Stärke der Schnur zu halten. Die Schnüre werden von einer Ecke zur nächsten um die Stuhlzargen geschlungen, und zwar bewegt man sich dabei entgegen dem Uhrzeigersinn. Die Schnüre kreuzen sich an jeder Ecke im rechten Winkel. Die Kreuzungspunkte bilden später die zur Sitzmitte führenden Diagonallinien.